In einem Paket fordert der Niedersächsische
Städtetag verschiedene Maßnahmen zur Rettung der Innenstädte. „Um unsere
Innenstädte machen wir uns erhebliche Sorgen – es ist fünf vor zwölf. Die Einschränkungen
durch die Corona-Pandemie werden erhebliche Auswirkungen auf die
niedersächsischen Innenstädte und Ortskerne haben!“, erklärte Oberbürgermeister
Ulrich Mädge (Hansestadt Lüneburg), Präsident des Niedersächsischen
Städtetages.
„Einzelhandelsgeschäfte und Kaufhausfilialen ringen zum Teil um ihre
wirtschaftliche Existenz“, ergänzte Oberbürgermeister Frank Klingebiel (Stadt
Salzgitter), Vizepräsident des kommunalen Spitzenverbandes. Schätzungen der
Interessenverbände prophezeiten, so Klingebiel weiter, eine massenhafte
Schließung von Einzelhandel und Gastronomie in Innenstädten, wenn kein
umgehendes Gegensteuern von staatlicher Seite erfolgen würde.
„Zentraler Akteur bei der Bewältigung dieser Herausforderung werden die
Städte und Gemeinden vor Ort sein“, so Präsident Mädge: „Erfolgreich können sie
dieser Herausforderung jedoch nur mit Unterstützung von Bund und Land begegnen.“
Das Präsidium des Niedersächsischen Städtetages hält daher verschiedene
Maßnahmen für dringend geboten, um vitale Ortskerne und Innenstädte zu erhalten.
Das machte das Präsidium auf seiner Sitzung durch folgende Beschlüsse deutlich:
I. Kurzfristige
Maßnahmen:
- Das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages fordert von Landesregierung und
Landtag mit Nachdruck die
zügige Umsetzung des Niedersächsischen Quartiersgesetzes.
- Das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages fordert von der
Landesregierung, den Kommunen durch Schaffung gesetzlicher Grundlagen
erweiterte Zugriffsmöglichkeiten auf Problemimmobilien einzuräumen.
- Das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages unterstützt den
Einzelhandelsverband HDE ausdrücklich in seiner Forderung, den
Einzelhandel – auch soweit er geöffnet ist – in die auf Dezember
ausgeweiteten Novemberhilfen des Bundes gleichermaßen einzubeziehen, wie
die von der Schließung oder Teilschließung betroffenen Branchen. Dabei
könnte sich das Präsidium vorstellen, dass Einzelhandelsunternehmen
staatlich unterstützt werden, wenn sie weniger als 75 % des Umsatzes aus
den Vergleichsmonaten November und Dezember 2019 erzielen sollten.
- Die
Mitgliedsstädte des Niedersächsischen Städtetages werden prüfen, ob sie
nach dem Vorbild einer Vielzahl von Kommunen im Rahmen des ersten
Lockdowns auch jetzt in der Vorweihnachtszeit im Rahmen ihrer
wirtschaftlichen und finanziellen Möglichketen Gutscheinsysteme für ihren innerstädtischen
Einzelhandel auflegen, mit denen es gelingen kann die Kaufkraft in den
Kommunen zu erhalten.
- Mit
den stationären Einzelhandelsakteuren werden die Mitgliedsstädte
attraktive, den Corona Bedingungen angepasste Einkaufserlebnisse
entwickeln. Angesichts der erheblichen Widerstände gegen zusätzliche
Öffnungszeiten an Sonntagen werden wir konkret den „langen Donnerstag“
wieder in der Adventszeit als „adventlichen Nachteinkauf“ einführen und
mit den Einzelhändlern die Möglichkeiten erörtern, an den beiden letzten
Donnertagen vor Heiligabend die Geschäfte bis 24:00 Uhr zu öffnen.
- Das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages fordert von der
Landesregierung ein Sofortprogramm zur Stärkung der Innenstädte analog dem
Programm des Landes Nordrhein-Westfalen, das mit mindestens 70 Mio. €
hinterlegt ist und mit dem gezielt innenstadt-stärkende Interventionen
durch Kommunen gefördert werden können.
- Das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages fordert das Land auf, aus
Mitteln für die Umsetzung des Masterplanes Digitalisierung ein Forschungs-
und Pilotprojekt zu fördern, mit dem die Wirkung der stärkeren Nutzung von
Online-Angeboten durch den stationären Einzelhandel auf die Attraktivität
der Innenstädte beurteilt und verbessert werden kann.
- Das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages fordert die Landesregierung
auf, gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden und den
Wirtschaftsverbänden Regelungen für die Ausrichtung von Märkten
(Weihnachtsmärkte, Floh- und Jahrmärkte) mit dem Ziel zu prüfen, Hindernisse
und Auflagen erheblich zu reduzieren.
- Das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages bekennt sich zu der Bedeutung,
die kulturelle Angebote für die Attraktivität der Innenstädte haben und
appelliert an alle Beteiligten, innerstädtische neue und kreative
kulturelle Angebote zu fördern.
- Für
den Niedersächsischen Städtetag ist es von elementarer Bedeutung, dass
Bürgerinnen und Bürger sich in den Innenstädten sicher fühlen. Gerade in
der „dunklen Jahreszeit“ ist für eine attraktive Innenstadt das subjektive
Sicherheitsempfinden der Bürgerinnen und Bürger wichtig. Hinzu kommen die
derzeit aufgrund des COVID-19-Infektionsgesehens bestehenden
Kontaktverbote: Die überwiegende Zahl der Bürgerinnen und Bürger hält sich
an die Einschränkung, fühlt sich aber gerade durch Einzelpersonen oder
Gruppen, die sich nicht an die Regeln halten, bedroht. Das Präsidium des
Niedersächsischen Städtetages fordert daher eine hohe Präsenz der Polizei
in den Städten und Gemeinden sowie der Bundespolizei in den Bahnhöfen und
die konsequente Ahndung von etwaigen Verstößen.
II. Langfristige
Maßnahmen:
- Das
Niedersächsische Ladenöffnungs- und Verkaufszeitengesetz ist unter
Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der
verfassungsrechtlich garantierten Sonntagsruhe umfassend zu novellieren.
Die Kommunen sollten unter Wegfall des zu engen Anlassbezuges
Sonntagsöffnungen für den innerstädtischen Einzelhandel vorsehen können.
Für eine entsprechende Genehmigung sollten abstrakt-generelle Gründe, wie
beispielsweise der Erhalt lebendiger Innenstädte, definiert werden. Eine
solche Änderung ist nach den Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie
unbedingt erforderlich, um die Innenstädte zu stärken.
- Das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages hält vor dem Hintergrund
aktueller Herausforderungen im Umwelt- und Verkehrsbereich einen
„Masterplan Mobilität“ und eine Verkehrswende für die Niedersächsischen
Innenstädte für erforderlich. Bund, Länder, Kommunen, Unternehmerverbänden
der Mobilitätsbranche und der Handel sind gemeinsam gefordert, die
Verkehrswende als Gemeinschaftsprojekt umzusetzen. Dabei muss insbesondere
der ÖPNV gestärkt werden, der Radverkehr stärker gefördert werden,
Verkehrsangebote digital vernetzt sowie Elektromobilität stärker gefördert
werden. Außerdem müssen städtische Lieferverkehre optimiert werden;
beispielsweise durch Einrichtung von Sammeldepots für Paket- und
Zustelldienste an Standorten außerhalb der Innenstadt oder Anlieferung mit
Elektrofahrzeugen.
- Das
Präsidium des Niedersächsischen Städtetages fordert Bund und Land dazu
auf, eine Förderung für kommunale Modellprojekte zur Flexibilisierung und
Entzerrung innerstädtischer Lieferverkehre einzurichten.
3.
Dezember 2020
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