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Presseinformation Nr. 27 / 2022: Handeln statt prüfen - Koalitionsvertrag mit Licht und Schatten

Der Koalitionsvertrag zwischen der SPD Niedersachsen und Bündnis 90 / Die Grünen bleibt aus Sicht des Niedersächsischen Städtetages in vielen Bereichen hinter den Erwartungen zurück: „Insgesamt 131 Prüfaufträge führen nur zu Prüfungen und nicht zu konkreten, dringend erforderlichen Handlungen.“

„Die Kommunen haben für die Unterbringung von Flüchtlingen kaum bis keine Kapazitäten mehr“, so Präsident Frank Klingebiel, Oberbürgermeister der Stadt Salzgitter: „Dennoch wird im Koalitionsvertrag die dezentrale Unterbringung proklamiert. Das steht im diametralen Gegensatz zur kommunalen Realität. Die Kommunen stehen mit dem Rücken zur Wand; das sollte die künftige Landesregierung zur Kenntnis nehmen und die eigenen Kapazitäten sehr kurzfristig hochfahren. Die Kommunen brauchen im Interesse einer gelingenden Integration und im Interesse des sozialen Friedens vor Ort jetzt eine Atempause.“

Gleichzeitig erwarte der Niedersächsische Städtetag, so Klingebiel weiter, in diesem Zusammenhang eine konkrete Kostenzusage: „Ohne Kostenzusage treten die Kommune in ungedeckte Vorleistungen. Aktuell sind viele Städte und Gemeinden gezwungen, ihren Haushalt 2023 mit gewaltigen Fehlbeträgen zu planen.“

Zu begrüßen ist die Ankündigung, die Finanzausstattung der Kommunen zu verbessern, Förderprogramme zu vereinfachen, die Rekommunalisierung von Stadtwerken zu unterstützen und die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen zu erleichtern. „Allerdings bleibt auch hier der Koalitionsvertrag hinreichend unkonkret“, führt Vizepräsident Jürgen Krogmann, Oberbürgermeister der Stadt Oldenburg, aus.

Die Ankündigung im Koalitionsvertrag, dass der Stufenplan für die dritte Fachkraft konsequent umgesetzt werden solle, halten wir für illusorisch. „Jeder weiß, dass die Kindertagesstätten derzeit mit einem enormen Fachkräftemangel kämpfen, der eine Ausweitung der Personalstandards zum aktuellen Zeitpunkt unmöglich macht. Bereits jetzt kann das Angebot der Kindertagesbetreuung mit den heutigen Personalstandards nur schwer aufrechterhalten werden“, so Jürgen Krogmann: „Das Land darf sich daher nicht länger einer echten und grundlegenden Reform der Fachkräfteausbildung verschließen und muss den Weg für einen vergüteten Ausbildungsgang freimachen. Zudem benötigen die Kommunen eine größere Flexibilität in der Umsetzung der Standards der Kindertagesbetreuung auch um weitere qualifizierte Berufsgruppen in den Kitas einsetzen zu können.“

„Unserer Forderung, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter in Niedersachsen im Rechtsregime des Niedersächsischen Schulgesetzes umzusetzen, wurde leider nicht entsprochen“, so Frank Klingebiel: „Außerdem fehlen jegliche Aussagen zu finanziellen Auswirkungen. Den Verweis auf die Träger der Kinder- und Jugendhilfe als originäre Ansprechpartner des Rechtsanspruchs lesen wir mit großer Sorge, wirkt es doch so, als liege dort allein die Verantwortung. Wir fordern eine deutliche Nachsteuerung und ein Bekenntnis des Landes zur Übernahme der finanziellen Auswirkungen für die Einführung und Umsetzung des Rechtsanspruchs. Das Land darf die Kommunen bei dieser Mammut-Aufgabe nicht allein lassen!“

Das Land beabsichtigt künftig, Schülerinnen und Schülern ab dem 8. Jahrgang digitale Endgeräte zur Verfügung zu stellen. „Eine mögliche Beschaffung durch die Schulträger für diese neue zusätzliche Aufgabe lehnen wir strikt ab“, so Jürgen Krogmann: „Dafür stehen keine personellen Ressourcen zur Verfügung. Die Beschaffung dieser digitalen Endgeräte liegt in der Verantwortung des Landes.“

Eine deutliche Erhöhung der jährlichen Investitionsmittel für die Krankenhäuser sei längst überfällig. „Wir begrüßen die Ankündigung der Erhöhung dieser Mittel daher sehr. Leider fehlt ein Hinweis auf die Einrichtung eines dringend notwendigen Sonderfonds, um den aktuellen Investitionsstau von über 2 Mrd. Euro abbauen zu können“, so Frank Klingebiel: „Die bloße Anhebung der jährlichen Investitionsmittel reicht bei weitem nicht aus, um den Investitionsstau abzubauen. Für die Zukunftsfähigkeit unserer Krankenhäuser brauchen wir deutlich mehr.“

„Die Wohngeldreform und das Heizkostenzuschussgesetz wird zu einer administrativen Überforderung auf kommunaler Ebene führen“, erklärt Frank Klingebiel. So rechne der Bund in Folge der Wohngeldreform mit einer Verdoppelung, ggf. sogar mit einer Verdreifachung der Fälle, was zu einem enormen Mehraufwand für die Wohngeldstellen führen werde: „Die fehlende Vorlaufzeit und das fehlende Personal vor Ort werden zu einer Situation führen, bei der die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit in der Praxis nicht befriedigt werden kann. Wir erwarten von der Landesregierung, dass dies auch landesseitig offen kommuniziert wird und außerdem verbindliche Aussagen über eine Kostenerstattung für Sach- und Personalkosten der Kommunen getroffen werden.“

Dass im Bereich Windenergie eine verpflichtende Wertschöpfungsbeteiligung der Kommunen eingeführt werden soll, entspricht einer Forderung des Niedersächsischen Städtetages und wird ausdrücklich begrüßt.

„Statt mutig die hohen Standards beim Bauen abzubauen, soll bei Umnutzung, Aufstockung, Umbauten und Nachverdichtung die Pflicht zur Herstellung von PKW-Stellplätzen nun bedingungslos entfallen“, so Jürgen Krogmann: „Der vorliegende Aufschlag ist im Hinblick auf die Baukosten ein Tropfen auf den heißen Stein, wird sich im Flächenland Niedersachsen aber negativ auswirken. Denn letztlich werden dadurch die erforderlichen Stellplätze auf Kosten der Allgemeinheit schlichtweg in den öffentlichen Verkehrsraum verlagert.“

Enttäuscht zeigt sich der Niedersächsische Städtetag auch im Hinblick auf die fehlende Amtszeitverlängerung der Hauptverwaltungsbeamtinnen und Hauptverwaltungsbeamten auf acht Jahre. Antwort der künftigen Landesregierung: „Wir prüfen.“

„Jetzt muss es darum gehen, die an vielen Stellen offen gehaltenen Formulierungen in der Koalitionsvereinbarung zu konkretisieren. Dazu möchten wir mit der neuen Landesregierung kurzfristig ins Gespräch kommen und gemeinsam nach Lösungen suchen. Wir wünschen der neuen Landesregierung für die kommende Wahlperiode viel Erfolg und hoffen auf eine gute und konstruktive Zusammenarbeit; im Interesse des Landes und seiner Kommunen“, erklären Frank Klingebiel und Jürgen Krogmann abschließend.

2. November 2022

Ansprechpartner:

Dr. Jan Arning, Mobil: 0172 / 53975-16, E-Mail: arning@nst.de

Stefan Wittkop, Mobil: 0172 / 53975-13, E-Mail: wittkop@nst.de



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